Schlafexperte Prof. Helmut Teschler appelliert unermüdlich: Unbedingt abklären lassen, was der Grund ist fürs Schnarchen. Wer das Signal bekommt, dass sie oder er in der Nacht schnarcht, sollte unbedingt handeln. Es könnte eine Schlafapnoe vorliegen.

Starkes Schnarchen kann gefährlich sein.
Das ist ein grundsätzlicher Ratschlag, den einer der Wegbereiter der Schlafmedizin in Deutschland allen Betroffenen ans Herz legt: „Niemand sollte zögern, den Ursachen für sein Schnarchen auf den Grund zu gehen“, appelliert Prof. Helmut Teschler. Der langjährige ärztliche Direktor der Ruhrlandklinik und des westdeutschen Lungenzentrums der Universitätsmedizin Essen wird nicht müde daran zu erinnern, dass gestörter Schlaf sich ungünstig auf die Gesundheit auswirkt. Und das Schnarchen kann ein erheblicher Störfaktor und wichtiger Hinweis auf die Ursache der Schlafstörung sein.
Was passiert eigentlich beim Schnarchen?
Akustisch lassen sich prinzipiell zwei Typen von Schnarchgeräuschen unterscheiden: das regelmäßige, harmonische Schnarchen, das auch als habituelles oder gewöhnliches Schnarchen bezeichnet wird. Im Volksmund spricht man vom „Sägen an der Liebe“. Bei dieser „Melodie der Nacht“ finden sich keine beängstigenden Atemaussetzer.
Gefährlicher ist Schnarchen, wenn es mit explosionsartigen Geräuschen einhergeht. Dieses Schnarchen entsteht oft bei der Wiedereröffnung des Atemwegs am Ende einer obstruktiven Schlafapnoe (=Atemaussetzer durch Verschluss der oberen Atemwege im Schlaf). Es wird hervorgerufen durch die stark zunehmende Luftströmung mit wiedereinsetzender Atmung. Aus der genauen Charakterisierung des Schnarchgeräusches lassen sich wichtige biologische Informationen ableiten.
Soundcheck: Unterschiedliche Anzahl von Obertönen beim Schnarchen

Der Klang ist entscheidend: Schnarchen hat verschiedene Töne
und Lautstärken.
So ist etwa das Frequenzspektrum, das in Hertz (Hz) gemessen wird, von Interesse. Im Frequenzspektrum sieht man bei habituellem oder gewöhnlichem Schnarchen vorwiegend tiefe Frequenzen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Obertönen. Bei Schnarchen in Verbindung mit Schlafapnoe handelt es sich hingegen um ein Geräusch, das kaum Obertöne, dafür aber höherfrequente Anteile enthält.
Die Lautstärke eines Schnarchtons wird physikalisch in der Stärke des Schalls gemessen. Er wird im dB-Wert (Dezibel) angegeben. Bei Lautstärken von mehr als 70 dB liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit Schnarchen einer Person mit Schlafapnoe vor. Die mittlere Schnarchfrequenz liegt bei 150 Hz. Beim Schnarchen, das durch Flatterbewegungen des Gaumensegels („velares Schnarchen“) hervorgerufen wird, liegt die Hauptfrequenz mit 100 Hz niedriger. Beim „kaudalen Schnarchen“, das auf Schwingungen tiefer gelegener Rachen – und Kehlkopfstrukturen zurückzuführen ist, liegt der Geräuschpegel hingegen bei zirka 370 Hz.
„Schnarchen ist bei vielen Betroffenen ein sozial störendes Phänomen ohne gesundheitliche Risiken“, so Helmut Teschler. „Es kann aber eben auch das Symptom einer schlafmedizinischen Erkrankung wie der obstruktiven Schlafapnoe oder einer anderen Erkrankung der oberen Atemwege sein.“
„Niemand sollte zögern, den Ursachen für sein Schnarchen auf den Grund zu gehen.“
Prof. Helmut Teschler, Schlafmediziner
Wie entsteht Schnarchen? Im Rachen wirbelt der „Schneebesen“
Das Schnarchen entsteht durch eine Vibration der Weichteilstrukturen an Engstellen der oberen Atemwege während der Atmung im Schlaf. Auslöser ist die Abnahme der Muskelspannung im Bereich des oberen Atemwegs. Muss die Luft durch einen engeren Atemweg, steigt die Luftströmung an.
Nun kommt die Strömungsdynamik ins Spiel: Die Luft strömt in diesen engen Bereichen beim Einatmen schneller. Durch den beschleunigten Luftstrom werden die Weichteile im Rachen vermehrt in Vibrationen versetzt. Das Gaumensegel und die Schlundstrukturen flattern und das „Schnarchkonzert“ beginnt.
Prof. Teschler zufolge kommt es durch die Vibrationen zu Effekten, die vergleichbar sind mit der Verwirbelung eines Schneebesens. Die Schleimhäute der oberen Atemwege sind von einem Sekretfilm bedeckt, in dem sich auch Bakterien und andere Erreger befinden.

Schlafexperte
Prof. Helmut Teschler
rät, die Ursachen für das Schnarchen abzuklären.
Beginnt das Gaumensegel bei hoher und turbulenter Luftströmung zu flattern, wird dieses Sekret verwirbelt und die Schleimhaut gereizt. Bei der Einatmung gelangt das mit Erregern und Enzymen angereicherte Sekret mit dem Luftstrom in die Bronchien und Lunge. So erklärt sich, warum Schnarcherinnen und Schnarcher häufiger über Husten, chronische Bronchitis und Atemwegsinfektionen klagen.
„Saisonales Schnarchen“ kann wieder aufhören
Manchmal sind Allergien und dadurch hervorgerufene Entzündungen die Ursache des Schnarchens. Prof. Teschler spricht vom „saisonalen Schnarchen“. „Das kennen viele Patientinnen und Patienten mit Heuschnupfen, die in der Zeit des Pollenfluges außerdem geschwollene Nasenschleimhäute haben“, so der Experte. Bei der Einatmung durch die enge Nase nimmt der Sog im Rachen zu. Reflektorisch schaltet die schlafende Person auf Mundatmung um, wobei der sich öffnende Unterkiefer die Schlundstrukturen noch mehr einengt. „Bekommt man die Allergie in den Griff oder verschwindet die Beeinträchtigung der Atemwege, hört das Schnarchen wieder auf oder bessert sich gravierend“, so Teschler. Schnarchen, das sehr leise oder ausschließlich im Rahmen von Allergien oder Infekten auftritt, erfordert vorerst keine weitere Abklärung, sollte aber durchaus im Blick behalten werden.
Schnarchen: Die Anatomie spielt eine Rolle
Es kann aber auch sein, dass dem Schnarchen Erkrankungen zugrunde liegen, die abgeklärt und behandelt werden müssen. Unter anderem spielen die Anatomie der Nase, die Anatomie des Rachenraumes und die Anatomie des Kiefers eine wichtige Rolle. So kann es sein, dass Polypen oder eine stark verkrümmte Scheidewand die Nase einengen. Oder die Mandeln bzw. das Lymphgewebe im Rachenring sind zu dick. „Das kann man oft nur operativ in den Griff bekommen“, weiß Schlafmediziner Teschler.
Auch Erbkrankheiten oder Missbildungen können mit Veränderungen in den oberen Atemwegen und mit Schnarchen einhergehen. Am bekanntesten ist wohl die Trisomie 21 (Down-Syndrom). Schnarchen und gestörte Atmung kommen bei einer Vielzahl von Fehlbildung im Bereich von Schädel und Kiefer auch in Verbindung mit Spaltenbildungen vor, zudem bei komplexen neurologischen Erkrankungen. „Den Betroffenen oder Eltern erkrankter Kinder kann man nur empfehlen, diese Form von Schnarchen in einem Zentrum mit schlafmedizinischer Expertise für die entsprechende Altersklasse klären und behandeln zu lassen“, so Prof. Teschler.
Hilfreich gegen Schnarchen: Der Blick auf die eigene Lebensweise
Jenseits der körperlichen Ursachen spielt beim Schnarchen allerdings auch die Lebensweise eine Rolle. Schuld an der Schnarcherei kann auch Übergewicht sein. Je dickleibiger ein Mensch ist, je mehr Fett sich im Rachen ablagert, desto enger und instabiler wird es. Abnehmen gilt daher als erster Schritt, um die störenden Geräusche im Schlaf zu verringern. Außerdem muss geprüft werden, ob Medikamente Ursache der Gewichtszunahme sind, die ausgetauscht oder abgesetzt werden können. Der Blick auf den Alkoholkonsum hilft ebenfalls. Schlafexpertinnen und Schlafexperten raten bei Betroffenen davon ab, vor dem Schlafen Alkohol zu trinken. Denn unter Promille-Einfluss entspannen sich die Muskeln und ändert sich die Durchblutung mehr und mehr, bis das Gewebe im Rachen zu flattern beginnt.
Blick nach Großbritannien: Junge Frauen schnarchen mehr als junge Männer

Interessante
Studie:
Das Schnarchen bei
jungen Frauen in Großbritannien ist vergleichsweise
häufig.
Rollenbilder und stereotypische Einschätzungen sind auch beim Thema Schnarchen verbreitet. Deshalb wurde es als überraschend bewertet, dass junge Frauen mehr schnarchen als junge Männer. Das belegt eine aktuelle Studie aus Großbritannien. Dem „Royal National Throat, Nose and Ears Hospital” zufolge, sorgen meistens die jungen Damen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren nachts für Radau. Während 31 Prozent der Männer dreimal pro Woche „schwer“ schnarchen, sind es bei den Frauen in der gleichen Altersgruppe 34 Prozent. Als ein Grund dafür wird die Zunahme der Fettleibigkeit angesehen.
Im Alter scheint sich die Tendenz zum Schnarchen allerdings umzukehren. Dann schnarchen die älteren Männer wiederum mehr als ihre gleichaltrigen Frauen. 45 Prozent der Männer zwischen 55 bis 64 Jahren produzieren nasale Geräusche beim Schlafen, bei den Frauen beträgt die Zahl nur 35 Prozent. Ab 75 Jahren nimmt das Schnarchen laut der britischen Untersuchung sowohl bei Männern als auch bei den Frauen ab.
Da viele Menschen aber vor allem dann schnarchen, wenn sie auf dem Rücken liegen, empfiehlt der britische nationale Gesundheitsdienst, sich Tennisbälle auf den Rücken zu schnallen. Das verhindert die Rückenlage, man dreht sich automatisch auf den Bauch oder die Seite und schnarcht somit weniger.
Schlafapnoe: Wenn der Atem beim Schnarchen stockt
Extremes Schnarchen, lautes und insbesondere explosionsartiges Schnarchen ist oftmals auch der Hinweis auf eine Schlafapnoe. Vor allem besonders laut und mit Unterbrechungen schnarchende Menschen sollten sich untersuchen lassen. Denn mit den Jahren kann sich ein anfangs harmloses, oft melodisches Schnarchen zur Symphonie der Nacht oder gar zum Phantom der Nacht mit Phasen der Stille durch lebensgefährliche Atemaussetzer entwickeln. Unterbricht der Atemfluss durch die Verengung des Atemweges mindestens 15-mal innerhalb einer Schlafstunde, sprechen Ärztinnen und Ärzte von einer „obstruktiven Schlafapnoe“, die behandelt werden sollte.
Dieses Krankheitsbild kann sich auch bei Menschen herausbilden, die zuvor kaum oder gar nicht geschnarcht haben. Die Auswirkungen wiederholter Atemstillstände machen krank. Denn die Sauerstoffkonzentration im Blut nimmt ab, Körper und Gehirn werden nicht mehr ausreichend versorgt. Und stockt der Atem, reagiert der Körper mit einem Notprogramm: Eine Weckreaktion setzt ein, das Herz beginnt zu rasen, das Gehirn schaltet für wenige Sekunden in den Wachmodus, der Mensch japst schließlich nach Luft. Obwohl die Betroffene nachts x-mal aufwachen, sind sie dabei so schlaftrunken, dass sie sich daran am nächsten Morgen nicht erinnern. Dass die Schläfrigkeit und Leistungsminderung am Tag eine Folge der Fragmentierung eines nicht mehr erholsamen Schlafs sind, kann der Betroffene sich oft nicht eingestehen oder nachvollziehen – eben das Phantom des Schlafs.
„Um eine nachhaltige Schädigung des Gehirns, aber auch andere schwere Begleiterkrankungen des Herzkreislaufsystems und des Zuckerstoffwechsels zu verhindern, muss eine wirksame Atemtherapie eingeleitet werden.”
Prof. Helmut Teschler, Schlafmediziner
Die Folgen der Schlafapnoe
Die Auswirkungen aber spüren Betroffene, denn gesunder Schlaf sieht anders aus: Weil sie ständig aus dem Schlaf gerissen werden, ist dieser nicht mehr erholsam; sie sind häufig reizbar und übermüdet. Auch Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen, Antriebsmangel oder Stimmungsschwankungen können auftreten, ferner der gefürchtete Sekundenschlaf.
Schlafapnoe ist eine ernst zu nehmende Krankheit, die unbedingt fachärztlich behandelt werden sollte. „Um eine nachhaltige Schädigung des Gehirns, aber auch andere schwere Begleiterkrankungen des Herz-Kreislaufsystems und des Zuckerstoffwechsels zu verhindern, muss eine wirksame Atemtherapie eingeleitet werden”, betont Prof. Teschler. „Die effektivste Methode ist dabei eine Atemwegsüberdruckbehandlung, die so genannte CPAP-Therapie. Die Abkürzung steht für die englische Bezeichnung „continuous positive airway pressure“.

Risiko Schnarchen: Schlafapnoe kann sich durch lautes Schnarchen bemerkbar machen.
Bei modernen Therapiegeräten wird der Druck automatisch so eingestellt, dass der obere Atemweg mit dem minimal möglichen Druck offengehalten wird. Diese Geräte werden als APAP-Geräte bezeichnet. Für mindestens 70 Prozent der Patientinnen und Patienten kann dadurch die Lebensqualität deutlich verbessert werden: Sie fühlen sich beim morgendlichen Aufwachen frisch und ausgeschlafen und neigen auch tagsüber weniger zu Schläfrigkeit. So beispielsweise im Fall von Peter Harry Carstensen, dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holsteins, dem eine Schlafmaske helfen konnte.
Bei leichteren Fällen kann eine so genannte Schnarchschiene helfen, die nachts im Mund getragen wird, um mittels Vorverlagerung des Unterkiefers und der Zunge die Luftwege offen zu halten. Erst kürzlich wurde in Deutschland die elektrische Stimulation der Atemmuskeln als eher seltene Behandlungsoption für ausgewählte Fälle zugelassen.
Nächtliche Atmungsstörungen und unbehandelte Atemaussetzer können auch zu Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkten und Schlaganfällen führen. „Um dies zu verhindern, ist eine individuell passende Therapie erforderlich, die in einem schlafmedizinischen Zentrum durchgeführt werden sollte“, so Prof. Teschler.
Schnarchen und Schlafapnoe: Ursachen für Verkehrsunfälle durch Sekundenschlaf
Es darf nicht verschwiegen werden, dass ein hohes Risiko für Fremdgefährdung besteht, wobei Verkehrsunfälle durch Sekundenschlaf an erster Stelle stehen. Laut Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung dürfen Schnarcher und Schnarcherinnen sowie Betroffene mit Schlafapnoe in Deutschland selbst kein Auto mehr fahren. Wer an messbar auffälliger Tagesschläfrigkeit leidet, muss erst die erfolgreiche Behandlung nachweisen, bevor es wieder ans Lenkrad geht.