Was tun, wenn das Kind schnarcht? Wirkt sich das Schnarchen bei Kindern auf die Schulnoten aus? Ist es gefährlich, wenn der Säugling oder das Kleinkind schnarcht? Antworten gibt Prof. Helmut Teschler, ehemaliger ärztlicher Direktor der Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen, Vorstand von „Deutschland schläft gesund“ und einer der führenden Schlafmediziner in Europa.
Professor Teschler, etwa neun Prozent der Kinder schnarchen. Man denkt eigentlich beim Schnarchen an ältere Menschen, an Personen mit ein paar Kilos zu viel an den Hüften oder auch an Alkohol als Ursache für den nächtlichen Radau…
Helmut Teschler: Ja, aber schon Babys schnarchen. Oder geben schnarchähnliche Geräusche von sich. Bei Schulkindern kann sich Schnarchen negativ auf die Schulnoten auswirken, das haben Studien gezeigt. Wie auch bei den Erwachsenen, sollte man systematisch und sorgfältig schauen, um welches Schnarchen es sich handelt und was die Ursachen sind.

Das Schnarchen
bei Kindern kann sich auf die Schulnoten auswirken.
Was ist bei der Einordnung von Schnarchen zu beachten?
Helmut Teschler: Schnarchen ist meist ein inspiratorisches Atemgeräusch, das in den oberen Atemwegen entsteht und nur im Schlaf auftritt. Als habituelles Schnarchen wird ein deutlich hörbares und in mindestens vier von sieben Nächten auftretendes Schnarchen bezeichnet. Es wird zwischen kontinuierlichem (gleichbleibend in Lautstärke und Ausprägung) und intermittierendem Schnarchen (deutliche Unterschiede in Lautstärke und Ausprägung) unterschieden. Die intermittierende Variante ist nicht selten assoziiert mit Atemaussetzern und Weckreaktionen, die typisch sind für die obstruktive Schlafapnoe.
Was könnten denn die Ursachen für das Schnarchen bei Kindern sein?
Helmut Teschler: Zeitweises Schnarchen ist nichts Ungewöhnliches. Vielleicht ein Infekt der Atemwege. Sind die Atemwege entzündlich belegt, kann die Luft nicht frei wie normalerweise üblich strömen. Sind Erkältungen oder ein Heuschnupfen bzw. eine Allergie gegen Gräser- und Baumpollen die Ursache, sprechen wir vom „Saisonalen Schnarchen“.
„Amerikanische und deutsche Studien belegen, dass Kinder mit schlechten Schulleistungen fast doppelt so häufig nachts regelmäßig schnarchen wie Kinder mit guten Schulleistungen.”
Helmut Teschler, Schlafmediziner

Viele Eltern machen sich Sorgen, wenn das Kind schnarcht.
Gibt es auch körperliche Ursachen, wenn Kinder schnarchen?
Helmut Teschler: Häufige Ursachen sind Rückbiss, Kreuzbiss und offener Biss, aber auch ein enger Oberkiefer oder Schlund. Typisch ist das Schnarchen auch für Kinder mit Trisomie 21, Pierre-Robin-Sequenz und Gaumenspalte. Dabei kommt es zu einer anatomischen Einengung der oberen Atemwege. Das führt dazu, dass die Atemluft keine freie Bahn hat und es zum Schnarchen kommt. Polypen oder allergische Schwellungen können die Nase einengen und den Widerstand der Atmung erhöhen. Es resultiert Schnarchen.
Spielen nicht die Mandeln auch eine Rolle?
Helmut Teschler: Diese können zu groß sein. Häufig ist eine Kombination von Schnarchen mit kloßiger Sprache und bei behinderter Nasenatmung mit Mundatmung. Es gibt übrigens, wie schon erwähnt, auch Erbkrankheiten oder Fehlbildungen, die sich negativ auf den gesunden Schlaf auswirken. Beispielsweise Trisomie 21. Die Kinder haben meist eine sehr große Zunge, die ihren Rachen einengt. Das wirkt sich auf die Luftströmungsgeschwindigkeit und die Atemgeräusche im Schlaf aus. Viele dieser Kinder leiden zudem an den Folgen der Mundatmung. Abhängig von der Ausprägung der Fehlbildung sollten sie in spezialisierten Zentren interdisziplinär untersucht und behandelt werden.
Wie viele Kinder sind denn betroffen?
Helmut Teschler: Mehr als die Hälfte aller Kinder zwischen ein und vier Jahren schnarchen gelegentlich, acht Prozent davon aber jede Nacht. Kinder, die nicht erholsam schlafen, können sich am Tage in der Schule oft nicht gut konzentrieren. Als Folge der verminderten Sauerstoffzufuhr im Gehirn und häufigen Schlafunterbrechung können Verhaltensstörungen und schlechte Noten auftreten. Amerikanische und deutsche Studien belegen, dass Kinder mit schlechten Schulleistungen fast doppelt so häufig nachts regelmäßig schnarchen wie Kinder mit guten Schulleistungen. Doch umgekehrt heißt dies nicht, dass alle Kinder, die Schnarchen, zwangsläufig schlecht in der Schule sein müssen. Und nicht jedes Schnarchen muss unbedingt behandelt werden. Doch schnarchende Kinder sind infektanfälliger und leiden häufiger unter chronischem Husten, Erkältungskrankheiten, Ohrinfektionen und Gedeihstörungen.
Also ab zum Arzt, wenn das Kind schnarcht?
Helmut Teschler: Ja unbedingt, wenn es regelmäßig und intermittierend schnarcht. Denn fehlender Schlaf verursacht auch bei Kindern Konzentrationsprobleme und Entwicklungsstörungen. Aber anders als bei Erwachsenen, die mit Tagesmüdigkeit kämpfen, sind betroffene Kinder oft nicht schläfrig, sondern hyperaktiv und besonders zappelig. Hyperaktivität ist dann das Stichwort. Ausgeprägte Schlafstörungen mit Atemaussetzern; sogenannte Schlafapnoe kann ähnlichen Verhaltensweisen wie beim Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätssyndrom (AHDS) bewirken. Werden die Schlafprobleme jedoch behandelt, wirkt sich dieses positiv auf das Verhalten aus.
Könnte unter Umständen auch die körperliche Entwicklung leiden?
Helmut Teschler: Ja. Denn Kinder wachsen. Und sie brauchen den Schlaf, um zu gedeihen. Wird die Schlaftiefe unterbrochen, kommt es zur Schlafstörung und dann ist die körperliche Entwicklung gehemmt. Denn Wachstumshormone werden zu 75 Prozent im Schlaf, speziell im Tiefschlaf abgegeben. Das bedeutet, je besser die Schlafqualität, umso mehr Wachstumshormone können sekretiert werden. Wenn die Schlafdauer und die Schlafqualität nicht ausreichend sind, wird weniger vom Wachstumshormon ausgeschüttet, was sich negativ auf die Gesundheit und das Längenwachstum auswirkt. Das führt im schlechtesten Fall zu Gedeihstörungen.
Wie sieht es aus mit der Zusammenarbeit von Kinderheilkunde und Schlafmedizin? Gibt es eine Sensibilität für die Relevanz von Schlafstörungen bei Kindern?
Helmut Teschler: Der Nachholbedarf der Kinderärztinnen und Kinderärzte in Punkto Wissen um die Relevanz des gesunden Schlafes ist schon groß. Der Nachholbedarf mit Blick auf die Hausärztinnen und Hausärzte ist noch größer. Das sehen wir schon daran, dass es etwa 315 Schlaflabore in Deutschland für Erwachsene gibt. Nur etwa ein Zehntel, also knapp über dreißig, zählen wir deutschlandweit mit Spezialisierung für Kinder.

Ist es schlimm, wenn mein Kind schnarcht?
Wie können Eltern unterstützen, wenn das eigene Kind schnarcht?
Helmut Teschler: Primär stellt sich die Frage, um welches Schnarchen und möglichen Ursachen es sich handelt. Saisonales Schnarchen verlangt nach Beseitigung der Ursache: Meiden von Allergenen, antiallergische Therapie und abschwellende Maßnahmen. Bei lautem und wechselnd intensivem Schnarchen oder in Verbindung mit Mundatmung, behinderter Nasenatmung sowie Fehlbildungen und Erbkrankheiten muss das Schnarchen sehr ernst genommen und abgeklärt werden. Auf den Arztbesuch können die Eltern sich vorbereiten. Sie können beispielsweise mit einem Rekorder, besser aber mit einer Schnarch-App, wichtige Informationen sammeln. Diese Apps zeichnen die Lautstärke und den Klangcharakter des Schnarchens auf und geben möglicherweise auch einen Hinweis auf Atemaussetzer. Diese gebündelten Informationen in Verbindung mit Informationen über den zeitlichen Verlauf und das Beschwerdebild machen es den Kinder- und Schlafmedizinerinnen und -medizinern oder den HNO-Ärztinnen bzw. -Ärzten und der Kieferorthopädie einfacher, die Situation einzuschätzen.