Im Gespräch: Holger Wöhrle, Schlafmediziner am Lungenzentrum Ulm und Gründungsmitglied der Initiative „Deutschland schläft gesund“, über die Möglichkeiten zur Behandlung und Vorbeugung beim Thema Schnarchen.
Wie oft kommt denn jemand zu Ihnen und sagt, ich schnarche, ich brauche medizinische Hilfe? Passiert das überhaupt?
Holger Wöhrle: Wir haben circa 15 Patientinnen/Patienten pro Tag bei uns im Lungenzentrum. Wir sind keine Hausarztpraxis, wer zu uns kommt, hat sich bereits mit dem Thema Schnarchen beschäftigt, weiß, da stimmt etwas nicht und möchte deshalb abklären lassen, was los ist. Es geht also darum, herauszufinden, was zum Schnarchen führt.

Holger Wöhrle ist Schlafmediziner am Lungenzentrum Ulm. Er erklärt, wann Sie wegen Schnarchen zum Arzt müssen.
Und das Warnsignal kommt seltener von den Betroffenen, sondern eher von Menschen, die daneben liegen?
Holger Wöhrle: Ja. Wer selbst schnarcht, hört es in der Regel nicht und wacht auch nicht auf. Deshalb spielt der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin eine Rolle. Denn wenn diese Person nicht schlafen kann, weil sie vom Schnarchen gestört wird, also dann selbst unausgeschlafen, nicht leistungsfähig und mutmaßlich schlecht gelaunt ist, sollte sich etwas ändern.
Gibt es in unserer Gesellschaft ein Verständnis dafür, dass Schnarchen mehr sein kann als ein Ärgernis und eine Lärmbelästigung?
Holger Wöhrle: 60 Prozent der über 60-jährigen Männer und 40 Prozent der Frauen schnarchen. Und ungefähr die Hälfte dieser Personen krankhaft. Um auf unsere Patientinnen und Patienten zurückzukommen: Bei etwa 80 Prozent gibt es einen positiven Befund – positiv heißt in dem Fall jedoch, dass das Schnarchen mehr als ein Ärgernis ist und negative gesundheitliche Folgen hat.
„Schlafapnoe ist eine ernst zu nehmende Krankheit, die unbedingt fachärztlich abgeklärt und behandelt werden sollte.“
Holger Wöhrle, Schlafmediziner am Lungenzentrum Ulm

Schnarchen:
Zum Arzt sollten Sie gehen, wenn es zu Atemaussetzern kommt.
Kann man etwas tun, um gar nicht erst zu schnarchen? Stichwort Prävention? Ist das überhaupt möglich, dem Schnarchen vorzubeugen?
Holger Wöhrle: Unbedingt. Gewichtsreduktion ist zum Beispiel ein Stichwort. Das spielt eine größere Rolle, als man denkt. Wer zehn Kilo verliert, hat gute Chancen, auch weniger zu schnarchen. Oder ein anderes Stichwort ist der Zahnstatus: Man kann prüfen lassen, ob die Kieferstellung eine ungünstige Rolle spielt oder abklären lassen, ob Nasen-Polypen oder Mandeln der Grund für das Schnarchen sind.
Was halten Sie von Hausmitteln, freiverkäuflichen Nasenstrips oder Unterkieferschienen? Ist das alles Quatsch oder ist das hilfreich?
Holger Wöhrle: Alles Quatsch würde ich nicht sagen. Manches kann etwas bringen, es kommt natürlich immer auf die individuelle Situation an. Wer beispielsweise eine Erkältung hat, kann mit Hausmitteln probieren, die Atemwege wieder frei zu bekommen. Auch Nasenpflaster können helfen, den Atemfluss wieder frei zirkulieren zu lassen.
Und was ist mit dem Rat, die Gaumen- oder Zungenmuskulatur zu trainieren? Kann das helfen?
Holger Wöhrle: Den Versuch ist es wert. Training ist immer gut, man kann nie zu viel für seine Gesundheit tun. Man kann etwa die Zungenspitze gegen den Gaumen drücken und nach hinten ziehen oder versuchen, den hinteren Teil der Zunge nach unten zu drücken, während die Zungenspitze die unteren Schneidezähne berührt.
Ab wann sollte man schlafmedizinischen Rat einholen?
Holger Wöhrle: Ein sehr leises, kontinuierliches oder ausschließlich im Rahmen von Erkältungskrankheiten oder bei Alkoholkonsum auftretendes Schnarchen erfordert in der Regel keine weitere Abklärung, sollte aber durchaus im Blick behalten werden. Schnarchen kann aber auch das Symptom einer schlafmedizinischen Erkrankung wie der obstruktiven Schlafapnoe sein. Die Auswirkungen sind deutlich spürbar, denn der gesunde Schlaf fehlt dann. Betroffene finden keinen gesunden Schlaf mehr. Weil sie ständig aus dem Schlaf gerissen werden, ist dieser nicht mehr erholsam; sie sind häufig reizbar und übermüdet oder auch gefühlt schlaflos. Schlafapnoe ist eine ernst zu nehmende Krankheit, die unbedingt fachärztlich abgeklärt und behandelt werden sollte.
Digitale Schnarchwächter
Schon jede fünfte Person in Deutschland nutzt medizinische Apps (Quelle: IKK classics). Die digitalen Helfer leisten Holger Wöhrle zufolge gute Dienste rund um das Thema Schlaf und Schnarchen: „Es gibt ausreichend seriöse Angebote und die Betroffenen profitieren davon“, so der Schlafmediziner aus Ulm. „Sie dokumentieren Verläufe, zeichnen Lautstärken auf und geben dem Anwender oder der Anwenderin einen ersten Überblick über den Schlaf-Wach-Rhythmus. Selbstverständlich können sie eine ärztliche Untersuchung und Behandlung nicht ersetzen, aber sie liefern wichtige Informationen, indem sie Veränderungen beschreiben.“ Holger Wöhrle schätzt auch, dass die neue Technik gut visualisiert, was nachts passiert. Grundsätzlich begrüßt er das Interesse auch der gesunden Menschen für das Thema Schlaf und die Qualität des Schlafes.